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Cleanup

In Bad Boll gibt es schon einzelne Personen und Familien, die auf ihren Spaziergängen unter dem Motto "Nicht mein Müll, aber mein Dorf" Müll aufsammeln bzw. die einmal monatlich Bad Boll von achtlos weggeworfenem Müll befreien. 

Dies ist immer am letzten Samstag im Monat von 09:00 bis 11:00 Uhr.

 

Vielleicht haben Sie Lust, sich anzuschließen und bei einem Spaziergang gemeinsam zu sammeln?

 

Kontakt: Elisabeth Biczo, Telefon 0174 2758406.

 

Erfahrungsbericht von Jobst Kraus:

Der Weg ist das Ziel 

 

Einblick in eine ungewöhnliche Sammel-Leidenschaft. Mit der Bad Boller Cleanup Gruppe unterwegs

 

Angestoßen durch die Cleanup-Gruppe Göppingen und deren Vorstellung auf dem Bad Boller Bauernmarkt Ende März 2022 bildete sich im Rahmen des Projektes „Gut Leben für Jung und Alt“ eine 10-köpfige Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern aus Bad Boll und Eckwälden, die – anfangs koordiniert von der Quartiersmanagerin Kerstin Ensslen -immer am letzten Samstag des Monats in der Zeit von 9 bis 11 Uhr die Wege und Plätze in Bad Boll abgehen und achtlos weggeworfene Dinge aufheben. Ausgerüstet mit Warnweste, Handschuhen, einer Plastiktüte für den aufgelesenen Müll und gegebenenfalls mit einem Greifer, um sich nicht ständig bücken zu müssen. Aber dies wird von den Aktiven unterschiedlich gehandhabt, denn manches lässt sich besser mit den Fingern vom Boden aufheben, besonders, wenn es sehr kleinteilig ist oder auf dem Pflaster klebt. 

 Cleanup Foto 2.1 

Nach einem Begrüßungsgespräch und einer kurzen Absprache, wer wo sammelt, geht es – zumeist in Zweiergruppen – los. Heute, am Samstag, den 29. Juni ist es trocken, aber schon sehr warm. Ich begleite Elisabeth Biczo, die die Koordination des einzig verbliebenen Einzelprojektes von „Gut Leben für Jung und Alt“ von Anfang an übernommen hat. In den etwa 28 Cleanup Müllsammel-Aktionen seit Frühjahr 2022 unter dem Motto „nicht mein Müll – aber mein Dorf“ hat sie, wie sich im Gespräch beim Sammeln herausstellt, viel dazu gelernt und Wissen erworben. Elisabeth Biczo hat nicht nur einen äußerst fokussierten, Blick auf den Weg und die jeweiligen Seitenstreifen, sondern mittlerweile auch die Erfahrung, wo sich besonders viele Abfälle finden: neben und unter Bänken, entlang von Parkstreifen, auf Baumscheiben oder an Bushaltestellen. Es scheint bei Autofahrern beliebt zu sein, die Zigarettenkippen, statt in den eigenen Aschenbecher, lieber aus dem Wagenfenster zu werfen. „So riecht es nicht und man muss den eigenen Aschenbecher nicht entleeren und putzen“. Beliebt sind auch Straßen entlang von unbebauten Grundstücken nach dem Motto „Fenster auf und raus“. 
Die Bandbreite dessen, was achtlos weggeworfen wird, ist breit und häufig wetter - und saisonspezifisch. Heute sind es viele Wassereistüten, Trinkhalme, Eislöffel aus Holz oder Plastik. Ganzjährig finden sich Zigarettenkippen, bis zum allerletzten Zug geraucht oder nur angeraucht, vielleicht, weil der Bus schon kam oder man nicht als Raucher gesehen werden wollte. Erzählungen älterer Generationen werden erinnert, dass in schlechten Zeiten Kippen gesammelt wurden und der verbliebene Tabak zu einer neuen Zigarette gerollt wurde. Überhaupt lassen sich zu vielen gefundenen Dingen Geschichten ausdenken. Eine noch ungebrauchte Tesafilm-Rolle neben einem Briefkasten. Ist diese dem Briefschreiber aus der Tasche gefallen und konnte der Brief nicht mehr fest zugeklebt werden? Oder in der Nähe der Schule finden sich ein Bleistift und ein Haargummi unter einer Bank. Sind diese Gegenstände aus Versehen aus der Tasche oder dem Schulranzen gefallen? Reichte es dann nicht mehr für die Fertigstellung der Hausaufgabe oder die Fixierung des Pferdeschwanzes. 

Aber zumeist ist es wertloser Müll, ein ausgebrauchtes Gasfeuerzeug, eine leergetrunkene Dose, eine ausgerauchte E - Zigarette oder Schokoladenverpackungen. Wenn für manches das Pfand oder der Rohstoffpreis höher wäre, würde es wieder attraktiv, die Reststoffe zur Wiederverwertung und in ihren Kreislauf zurückzugeben. 
Besondere Mühe beim Aufsammeln neben den unzähligen Zigarettenkippen bereiten in kleine Teile zerrissene Verpackungen. Wenn dieser achtlos weggeworfene Müll nicht aufgesammelt wird, würde er noch lange herumliegen und die Natur, den Boden oder das Grundwasser belasten. Bei Papier geht es schneller, Zigarettenstummel brauchen bis zu 15 Jahren, bis sie „natürlich“ verrotten. Und dazu enthalten Zigarettenkippen noch bis zu 7.000 Chemikalien. Schon die Konzentration des Nervengifts Nikotin aus einem Stummel, aufgelöst in einem Liter Wasser, ist für Fische tödlich. Auf unserem Weg begegnen wir neugierigen Passanten, die uns in Gespräche verwickeln und darauf hinweisen, dass „die illegale Entsorgung“, das achtlose Wegwerfen, eigentlich etwas kostet – in Baden-Württemberg zwischen 10 und 25 €, in Frankreich 50 bis 100 € und in Singapur bis zu 600 €. 

Warum engagieren sich die Bad Boller Müll-Sammlerinnen und Sammler? Es geht Ihnen nicht nur um die Sauberkeit des öffentlichen Raumes, sondern um den Schutz der Natur, um ein anderes Verhältnis zur Natur, aber auch zu den Dingen. Am besten wäre es, schon beim Kauf an die spätere Entsorgung– klingt wie „weg sind die Sorgen“ - zu denken, also z.B. Eiskugeln in der Waffel zu kaufen, wo die Verpackung mitgegessen werden kann. Beeindruckend ist, dass die Akteure weder schimpfen noch belehren wollen, sondern auch Taschenaschenbecher an Raucherinnen und Raucher verschenken. Alle machen die positive Erfahrung, dass dort, wo sie Müll aufgesammelt haben, sie bei wiederholten Durchgängen weniger Müll finden. Und noch eine weitere Beobachtung ist interessant: Schöne mit blühenden Blumen bepflanzte Ecken und Plätze werden weniger vermüllt. Aber das Gegenteil gilt auch: Achtlosigkeit zieht weitere Achtlosigkeit nach sich. 

Nach fast zwei Stunden immer wieder in die Hocke gehen und sich bücken, nähern wir uns dem Wertstoffhof. In den dortigen roten Container kann der gesammelte Abfall geworfen werden. Laut Gemeindeverwaltung können die Sammler und Sammlerinnen auch unterwegs ihren Müll in die Abfallkörbe werfen, um nicht zu viel herumtragen zu müssen.

Die „Sammelleidenschaft“ von Elisabeth Biczo und allen anderen der Cleanup-Gruppe ist ungebrochen - auch ihre Hoffnung, dass doch alle Bürgerinnen und Bürger in Bad Boll den öffentlichen Raum wie den eigenen betrachten könnten und sich entsprechend verhalten. Die Gruppe freut sich über weitere Aktive und hofft, dass es immer weniger für sie zu tun gibt. Wer Interesse hat, kann sich gerne am letzten Samstag des Monats um 9:00 Uhr auf der Rathauswiese einfinden, bekommt eine Warnweste, ist von der Gemeinde versichert und kann dann auf den Spaziergängen durch Bad Boll neue Entdeckungen machen.

Interessentinnen und Interessenten können sich an Elisabeth Biczo wenden: